Musik des Mittelalters: Die Kompositionen der Notre-Dame-Schule in Paris

Musik des Mittelalters: Die Kompositionen der Notre-Dame-Schule in Paris
Musik des Mittelalters: Die Kompositionen der Notre-Dame-Schule in Paris
 
Die Aufführung der dreistimmigen Organa innerhalb der Messliturgie an besonderen Feiertagen muss man sich prächtig und volltönend vorstellen. Sicher war daran eine ganze Gruppe von Sängern beteiligt, auch die Verstärkung durch Instrumente ist wahrscheinlich. Der Gesangsstil war noch nicht vom Jahrhunderte später entstandenen Belcanto geprägt, sondern wird als wild und ekstatisch und außerordentlich expressiv beschrieben. Die Wirkung solcher Klänge in dem großen Raum der Kathedrale erreichte ihre höchste Steigerung in den drei vierstimmigen Stücken von Perotinus, die noch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung von Zeitgenossen als unerreichte Vollendung musikalischer Kunst gerühmt wurden. Es handelt sich um das Weihnachtsgraduale »Viderunt omnes« und das Graduale zum Stephanstag »Sederunt principes«. In diesen Werken von etwa einer halben Stunde Aufführungsdauer erscheinen über dem Tenor, dessen Töne noch länger gedehnt sind als irgend sonst, drei Oberstimmen, neben dem Duplum und Triplum ein diesen wiederum ähnlich gestaltetes »Quadruplum«. Damit vervielfachen sich die Möglichkeiten des Stimmtauschs, des harmonischen Reichtums, der inneren Klangverschiebung und der motivischen Bezüge der Stimmen untereinander. Jede Silbe wird in diesem Tonsatz zu einem vielfach abgestuften, in sich kreisenden harmonischen Feld, und das ganze Werk vermittelt auch dem heutigen Hörer noch den Eindruck eines nicht enden wollenden Jubels über dem ununterbrochenen, mächtigen Fundament der klangtragenden Tenortöne.
 
Prof. Dr. Peter Schnaus
 
 
Apel, Willi: Die Notation der polyphonen Musik, 900—1600. Aus dem Amerikanischen. Leipzig 41989.
 Eggebrecht, Hans Heinrich: Musik im Abendland. Prozesse und Stationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Taschenbuchausgabe München u. a. 1996.

Universal-Lexikon. 2012.

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